Anne-Mari Kivimäkis neues Album “Ilja” gehört zu den vielen Alben, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind und für die das Folk-Genre eigentlich viel zu eng ist. Wir verwenden intern den Begriff Progressive-Folk für derartige Musik.
Dabei ist die musikalische Basis von “Ilja” etliche Jahrzehnte alt. Anne-Mari Kivimäki hat sich im Rahmen ihrer multimedialen Doktorarbeit an der Sibelius-Akademie in Helsinki mit dem 1961 verstorbenen finnischen Akkordeonisten Ilja Kotikallio beschäftigt. Der Musiker, der in der heute zu Russland gehörenden Region Suistamo in Karelien wirkte, war lange Zeit vergessen. Doch damit ist nun Schluss.
Aus den Geschichten und den traditionellen Kompositionen Kotikallios entwickelte Anne-Mari Kivimäki ihre Musik für das Album. Teils interpretiert sie Stücke von Kotikallio, teils schreibt sie neue, wobei sie sich allerdings bewusst stark von Kotikallios musikalischer Sprache beeinflussen ließ. Anne-Mari Kivimäki:
“Das Suistamo ist inzwischen für mich keine Landschaft mehr, sondern Seelenzustand.”
Aufmerksame Leser unseres Magazins wissen natürlich, dass “Ilja” nicht das erste Album unter eigenem Namen ist. “Lakkautettu Kylä” brachte sie 2015 heraus und “Aikapyörä” 2013. Von den weiteren musikalischen Aktivitäten Kivimäkis greifen wir nur Suistamon Sähkö heraus. Dieses wilde Quartett sorgte in den letzten Jahren für einiges Aufsehen und heimste zugleich Preise ein. Der Name des Ensembles zeigt, dass man sich auch hier auf die Musik aus der vorgenannten karelischen Region beruft.
Wie Suistamon Sähkö greift auch Anne-Mari Kivimäki hier auf elektronische Hilfsmittel zurück. Aber dies nur untergeordnet. Einen viel bedeutenderen Part trägt der Jouhikko-Spieler Pekko Käppi bei. Sein Instrument und das Akkordeon von Anne-Mari Kivimäki stehen zumeist im Vordergrund, wenn auch noch zahlreiche weitere Gäste zu hören sind, wie Ville Rauhala, Risto Ylihärsilä, Eero Gundström, Timo Väänänen, Piia Kleemola, Silja Palomäki, Meri Tiitola und Ville Leinonen.
Durch die Mitwirkung so vieler MusikerInnen mit unterschiedlichem Background entsteht ein sehr vielfarbiges und abwechslungsreiches Album, das leise und emotionsgeladene Momente ebenso aufweist, wie temperamentvolle und wilde. Von der überragenden Musikalität der Urheberin sind wir schon lange überzeugt. Sie stellt sie hier erneut unter Beweis. Auch wenn “Ilja” Teil einer Doktorarbeit ist, ist die Musik nicht verkopft, ganz im Gegenteil.
Im Beiheft finden sich weitreichende Erläuterungen zur Musik und zur Doktorarbeit. Beides in finnischer und englischer Sprache.
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